Die OECD schreitet bei Pillar One Amount B in der Umsetzung ihres Zwei-Säulen-Modells voran und die EU-Kommission veröffentlicht einen Richtlinienentwurf zu Verrechnungspreisen. Die Verrechnungspreiswelt steht damit vor wesentlichen Neuerungen.

Vereinfachter Verrechnungspreisansatz für Vertriebstätigkeiten (Pillar One Amount B)

Als Teil der geplanten Umsetzung des Zwei-Säulen-Modells („Pillar One“ und „Pillar Two“) im Rahmen der aktuellen BEPS-Agenda hatte die OECD/G20 am 17. Juli 2023 ein Konsultationspapier veröffentlicht, das für bestimmte Vertriebsaktivitäten innerhalb eines Konzerns standardisierte Vergütungen vorsieht. Am 20. September 2023 wurden die Stellungnahmen veröffentlicht. 

Während Amount A unter Pillar One als Teil der Mindestbesteuerungsinitiative medial große Aufmerksamkeit erhält, wird Amount B unter Pillar One bislang weniger beachtet, obwohl Amount B für alle internationalen Unternehmensgruppen relevant wird, im Gegensatz zu Amount A, der vorerst nur für sehr große Unternehmensgruppen (Konzerne mit mehr als 20 Milliarden Euro Umsatz und mehr als 10 Prozent Profitabilität) gelten soll.

Das veröffentlichte Papier sieht eine vereinfachte Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes für bestimmte Routinevertriebstätigkeiten („baseline marketing and distribution activities“) vor. Hierzu sollen gehören:

  • Großhandelsvertrieb konzernintern bezogener Waren an unverbundene Kunden
  • Handelsvertreter- und Kommissionärsgeschäfte im Zusammenhang mit dem Großhandelsvertrieb von Waren an unverbundene Kunden.

Anwendung finden soll der vereinfachte Ansatz auf Vertriebsaktivitäten im Großhandel mit Waren (ausgenommen Rohstoffe). Weitere wirtschaftlich bedeutsame Tätigkeiten der Vertriebsgesellschaft müssen aus Verrechnungspreissicht klar abgrenzbar sein. Zudem müssen bestimmte Kennzahlen (Verhältnis von betrieblichen Aufwendungen zum Nettoumsatz) eingehalten werden. Über die Anwendung weiterer qualitativer Anforderungen gehen die Meinungen noch auseinander.

Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, sieht das Konsultationspapier eine standardisierte Vergütung der Vertriebsfunktion auf Basis der TNMM unter Verwendung der EBIT-Marge als Vergleichskennzahl vor. Zu diesem Zweck hat die OECD eine globale Pricing-Matrix für fremdübliche EBIT-Margen erarbeitet. Je nach Branche und ökonomischen Kennziffern (Anlagen- sowie Kostenintensität) sieht diese Matrix EBIT-Margen zwischen 1,5 und 5,5 Prozent vor. Lokale beziehungsweise regionale Preismatrizen sind möglich, um Länderrisiken zu reflektieren, deren Umsetzung ist jedoch umstritten.

Amount B soll bereits 2024 in OECD-Guidelines aufgenommen werden

Amount B soll bereits Anfang 2024 in die OECD-Guidelines aufgenommen werden. Ob dabei eine Safe-Harbour-Regelung geschaffen oder eine verpflichtende Regelung eingeführt wird, stellt der aktuelle Wortlaut noch nicht explizit klar.

Der vorgeschlagene Ansatz bietet das Potenzial, die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes für die betroffenen Tätigkeiten zu vereinfachen und ist damit sehr praxisrelevant. Die Anwendungsvoraussetzungen und die Umsetzung sind jedoch noch nicht endgültig geklärt. Die weitere Ausarbeitung kann mit Spannung erwartet werden.

Entwurf einer EU-Richtlinie zu Verrechnungspreisen

Als Teil des von der Europäischen Kommission initiierten Regelwerks zur Unternehmensbesteuerung (Business in Europe: Framework for Income Taxation, „BEFIT“) hat diese am 12. September 2023 den Entwurf einer Richtlinie zur Vereinheitlichung von Verrechnungspreisregelungen innerhalb der EU veröffentlicht. Die Richtlinie soll ab dem 1. Januar 2026 gelten.

Ziel der Verrechnungspreisrichtlinie ist es, die Verrechnungspreisvorschriften innerhalb der EU zu harmonisieren sowie eine gemeinsame Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes zu finden. Dies soll zu weniger Gewinnverschiebung, Rechtsstreitigkeiten und Doppelbesteuerung in diesem Bereich und damit auch zu geringeren Compliancekosten (Dokumentation etc.) für Unternehmen führen.

Der Richtlinienvorschlag sieht vier Schritte vor, um dieses Ziel zu erreichen:

  1. Aufnahme des Fremdvergleichsgrundsatzes in europäisches Recht
  2. Harmonisierung der wichtigsten Verrechnungspreisvorschriften
  3. Eine einheitliche Definition der Rolle der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien, und
  4. Schaffung eigener EU-weit geltenden Verrechnungspreisregelungen

Im Folgenden findet sich ein Überblick über die wichtigsten Regelungen des Entwurfs:

  • Verbundenheit soll bei einer Beteiligung von mehr als 25 Prozent bestehen
  • Es gilt die am besten geeignete Methode anzuwenden
  • Die Bandbreiteneinengung soll auf die Interquartilsbandbreite abstellen; Werte außerhalb der Interquartilsbandbreite werden auf den Median angepasst.
  • Unter bestimmten Voraussetzungen werden Jahresendanpassungen durch den Steuerpflichtigen (Compensating Adjustments) akzeptiert
  • Schaffung eines neuen Rahmens für Gegenberichtigungen (Corresponding Adjustments), losgelöst von Verständigungsverfahren
  • Ermächtigung zur Formulierung von Dokumentationstemplates sowie von Regelungen zur Anwendung der Vorgaben auf bestimmte Transaktionen (zum Beispiel  Services, Kostenumlage, Finanztransaktionen, Übertragung immaterieller Werte, Umstrukturierungen, Betriebsstätten)
  • Darüber hinaus wird die Akzeptanz von Safe Harbour Regelungen diskutiert

Die angestrebten Ziele des Richtlinienentwurfs sind sehr zu begrüßen, insbesondere die Vorschläge zu Jahresendanpassungen und Gegenberichtigungen. Für deutsche Unternehmen sind durch die angestrebten Neuregelungen keine grundlegenden nachteiligen Änderungen zu erwarten, da der Entwurf in großen Teilen der bisherigen deutschen Praxis entspricht.