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Vergaberecht

Urteil zu widersprüchlichem Angebotsinhalt

Der Beitrag wurde verfasst von Maxim Horvath, Associate der Raue Partnerschaft von Rechtsanwälten und Rechtsanwältinnen mbB

Angebote, die widersprüchliche Angaben enthalten, sind nicht ohne weiteres vom Vergabeverfahren auszuschließen. Der Auftraggeber hat den Bieter zunächst zur Aufklärung des Angebotsinhaltes aufzufordern. Eine Korrektur offensichtlicher Unrichtigkeiten durch das Bieterunternehmen führt nicht zu einer Änderung der Vergabeunterlagen und verstößt auch nicht gegen das Nachverhandlungsverbot, wie das Sächsische Oberverwaltungsgericht (Urteil vom 21. Oktober 2020 – 6 A 954/17) nun bestätigt hat.

Gegenstand der verwaltungsrechtlichen Entscheidung war der teilweise Widerruf einer Zuwendung wegen eines behaupteten Verstoßes gegen vergaberechtliche Regelungen bei der Vergabe von Dachdeckerleistungen. Die Einhaltung vergaberechtlicher Vorschriften hat der Fördermittelgeber als Nebenbestimmung zum Förderbescheid erlassen. Nachdem der Bieter und spätere Auftragnehmer in seinem Angebot erklärt hatte, dass er alle Leistungen eigenständig ausführen werde und das „Verzeichnis Nachunternehmerleistungen“, unausgefüllt gelassen hatte, hielt der Auftraggeber eine Aufklärung des Angebots für erforderlich, weil der Bieter in seiner Angebotskalkulation zugleich einen Einzelposten mit „Nachunternehmerleistungen“ bezeichnet hatte. Weitere Unterlagen des Bieters enthielten keine Hinweise auf die Beteiligung anderer Unternehmen. Im Aufklärungsgespräch hat der Bieter erklärt, die Kalkulationsposition sei nur Gegenstand interner Berechnungen gewesen. Es werde nicht beabsichtigt, Nachunternehmer einzusetzen. Daraufhin hat der Auftraggeber den Zuschlag erteilt. Der Fördermittelgeber hat diese Praxis als vergaberechtswidrig angesehen und einen Teil der Zuwendungen widerrufen.

Hiergegen hat der Förderempfänger mit Erfolg Klage zum Verwaltungsgericht erhoben. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) hat nun bestätigt, dass der Zuschlag auf das zunächst widersprüchliche Angebot nach Aufklärung rechtmäßig erteilt worden ist. Dieser Fall steht dabei exemplarisch für eine Vielzahl an Praxisbeispielen, in denen der Angebotsinhalt eines Bieters Widersprüche aufweist. Der öffentliche Auftraggeber steht dann vor der schwierigen Entscheidung, wie er – vor einem etwaigen Verfahrensausschluss – zu reagieren hat. Hierzu gibt das OVG konkrete Prüfungsschritte vor. Es bezieht dabei die bisherige vergaberechtliche Spruchpraxis mit ein (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 2. August 2017 – VII-Verg 17/17; Beschluss vom 21. Oktober 2015 – VII-Verg 35/15). Im Grundsatz ist bei widersprüchlichen Angebotsinhalten danach wie folgt zu verfahren:

Zunächst ist zu prüfen, ob widersprüchliche Erklärungen im Wege der Auslegung aufzulösen sind. Dabei sind die §§ 133, 157 BGB in entsprechender Anwendung heranzuziehen. Maßgeblich ist der objektive Empfängerhorizont. Auch Umstände außerhalb der Erklärung können bei der Auslegung berücksichtigt werden.

Bleibt das abgegebene Angebot bei objektiver Betrachtung widersprüchlich, ist also die Bedeutung der Erklärung nicht zweifelsfrei durch Auslegung zu ermitteln, ist der Auftraggeber nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, Aufklärung über den Angebotsinhalt zu verlangen (vgl. schon OLG Düsseldorf, Beschluss vom 2. August 2017 – VII-Verg 17/17; so auch BGH, Urteil vom 18. Juni 2019 – X ZR 86/17). Bei einem infolge einer Widersprüchlichkeit wahrscheinlichen Eintragungsfehler reduziert sich das ansonsten bestehende Aufklärungsermessen zu einer Aufklärungspflicht. Mit anderen Worten:  Der Auftraggeber hat den Bieter zwingend zur Aufklärung seines Angebots aufzufordern und ihm Gelegenheit zu geben, die Widersprüchlichkeit nachvollziehbar auszuräumen.

Abzugrenzen sind davon Konstellationen, in denen sich der Erklärungsinhalt durch Auslegung gerade eindeutig ermitteln lässt. Für eine Korrektur bleibt somit nur Raum, wenn sich eine ausschreibungskonforme Angabe an anderer Stelle aus dem Angebot im Wege der Auslegung ableiten lässt. Dann führt die Aufklärung nicht zu einer Angebotsänderung, sondern zu einer Klarstellung. Darin liegt auch kein Verstoß gegen das Nachverhandlungsverbot (Sächsisches OVG, Urteil vom 21. Oktober 2020 – 6 A 954/17; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 2. August 2017 – VII-Verg 17/17).

Auftraggebern ist daher in Vergabeverfahren stets zu raten, sorgfältig zu prüfen, ob widersprüchliche Erklärungen des Angebots nicht schon durch Auslegung aufgelöst werden können. Für den Fall, dass Zweifel am Angebotsinhalt verbleiben, ist der Auftraggeber verpflichtet, von den betreffenden Bietern zunächst Aufklärung zu verlangen. Ein vorschneller Ausschluss eines Angebotes kann sich als vergaberechtswidrig herausstellen. Das gilt umso mehr mit Blick auf das gesetzgeberische Bestreben, Angebotsausschlüsse aus lediglich formalen Gründen nach Möglichkeit zu vermeiden.

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