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Meinung

Das FISG – nicht der große Wurf

Als Reaktion auf den Wirecard-Skandal hat die Bundesregierung Ende des vergangenen Jahres in Rekordgeschwindigkeit das Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetzes (FISG) auf den Weg gebracht. Das Gesetz betrifft primär, aber nicht nur börsennotierte Unternehmen und wird am 1. Juli 2021 in Kraft treten. Um verloren gegangenes Vertrauen in den Finanzplatz Deutschland wiederzugewinnen, sieht das FISG eine Optimierung der Bilanzkontrolle, eine weitere Regulierung der Abschlussprüfung sowie Neuerungen bei der Corporate Governance von Unternehmen vor. Gestatten Sie mir dazu einige Anmerkungen:

Unsere uneingeschränkte Zustimmung findet die Absicht des Gesetzgebers, die Kompetenz der Unternehmen von öffentlichem Interesse in den Themenfeldern Rechnungslegung und Prüfungswesen zu stärken. So wird künftig der Aufsichtsrat dieser Gesellschaften zur Einrichtung eines Prüfungsausschusses verpflichtet. Dabei muss mindestens ein Mitglied über Sachverstand auf dem Gebiet Rechnungslegung und mindestens ein weiteres Mitglied über Sachverstand auf dem Gebiet Abschlussprüfung verfügen.

Auch hat der Gesetzgeber zutreffend erkannt, dass interne Kontrollsysteme ein Schlüssel für die Stabilität und Krisenfestigkeit von Unternehmen sind. Für börsennotierte Gesellschaften wird nun zwingend die Einrichtung eines angemessenen und wirksamen internen Kontroll- und Risikomanagementsystems vorgeschrieben. Nicht nachvollziehbar ist jedoch, dass – zumindest für börsennotierte Unternehmen – ein Compliance-Management-System (CMS) nicht normiert wird. Ich hätte mir gewünscht, dass der Gesetzgeber den Vorschlag des IDW umgesetzt hätte, ein (dann zu prüfendes) CMS verpflichtend vorzuschreiben. Damit vergibt der Entwurf eine Chance, an den Kern zur Vermeidung von Top-Management-Fraud vorzudringen. Wenn eine Maßnahme den Fall Wirecard hätte verhindern können, dann wohl diese.

Regulierung der Abschlussprüfung nicht zielführend

Auch die Verschärfungen bei der Abschlussprüfung sind aus unserer Sicht problematisch. So wird die interne Rotation der verantwortlichen Prüfungspartner – also der Wechsel der das Testat erteilenden Wirtschaftsprüfer innerhalb des Prüfungsunternehmens - bei der Prüfung von Unternehmen von öffentlichem Interesse von sieben auf fünf Jahre reduziert. Die Sinnhaftigkeit dieser Maßnahme darf bezweifelt werden, da sie den Aufbau von Know-how über das zu prüfende Unternehmen erschweren wird. So würde ein Prüferwechsel zur Unzeit das Erkennen von Bilanzbetrug – vor allem bei zunehmend komplexer und digitaler werdenden Geschäftsmodellen – zusätzlich behindern.

Wenig zielführend ist auch die Ausweitung der zivilrechtlichen Haftung der Abschlussprüfer gegenüber dem geprüften Unternehmen. Die Haftungshöchstgrenzen bei der Prüfung kapitalmarktorientierter Unternehmen werden etwa um das Vierfache auf 16 Millionen Euro hochgesetzt. Bei grob fahrlässigem Verhalten gibt es überhaupt keine Höchstgrenze mehr. Auch diese Regeln werden die Qualität der Abschlussprüfung nicht erhöhen. Vielmehr dürfte dies die Konzentration im Prüfungsmarkt verstärken und vor allem mittelständische Prüfungspraxen überproportional benachteiligen. Auch die Gewinnung von Talenten für den Beruf des Wirtschaftsprüfers wird dadurch nicht erleichtert werden.

Positives Signal bei Joint Audits

Dagegen begrüßt Warth & Klein Grant Thornton den Prüfauftrag für Joint Audits, den der Gesetzgeber an die Bundesregierung gerichtet hat. Wir unterstützen dieses Vorhaben, um eine größere Beteiligung von mittelständischen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften auf dem Markt für Abschlussprüfungsleitungen zu ermöglichen. Bei Joint Audits teilen sich zwei unabhängige Wirtschaftsprüfungsgesellschaften die komplette Prüfung auf. Jede übernimmt bestimmte Teile, die beiden Kanzleien sorgen wechselseitig für die Qualitätskontrolle und sie müssen sich auf einen gemeinsamen Abschlussbericht einigen. Frankreich hat mit Joint Audits bei börsennotierten Unternehmen sehr gute Erfahrungen gemacht und auch bei uns könnte dieses Modell ein Schritt zu mehr Transparenz und Qualität in der Abschlussprüfung sein. Voraussichtlich wird sich die neue Bundesregierung in der kommenden Legislaturperiode damit befassen – wir sind auf die Diskussionen über die Einführung von Joint Audits sehr gespannt.

Fazit

Ob das FISG einen zweiten Fall Wirecard verhindern wird, erscheint zweifelhaft. Dafür gehen die Regelungen nicht weit genug, beispielhaft sei nochmals an die nicht umgesetzte Einführung eines CMS für börsennotierte Unternehmen erinnert. Ebenso darf bezweifelt werden, ob die Neuerungen bei der Abschlussprüfung tatsächlich zu einer Verbesserung der Prüfungsqualität führen. Gerade in diesem Punkt merkt man dem Gesetz an, dass es mit „heißer Nadel“ gestrickt wurde. Es gibt auch weiterhin keine Hinweise auf ein Systemversagen des Instituts der Abschlussprüfung. Auch sind noch längst nicht alle Fakten aufgeklärt. Auch und gerade im Hinblick auf die Verschärfungen in der Abschlussprüfung wäre es sinnvoller gewesen, die Ermittlung aller Fakten - unter anderem durch den Bundestagsuntersuchungsausschuss - abzuwarten. Es ist damit zu rechnen, dass es in der kommenden Legislaturperiode zu Nachbesserungen bei dem Gesetz kommen wird. Wir werden die weitere Entwicklung konstruktiv begleiten.