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Audit & Assurance

Öffentliche Stützungsmaßnahmen und Going Concern-Annahme

Dr. Claudia Schrimpf-Dörges Dr. Claudia Schrimpf-Dörges

In einem ersten Artikel haben wir die aktuellsten Fragen rund um die (Konzern-) Rechnungslegung mit Abschlussstichtag zum 31. Dezember 2019 beantwortet.

In diesem Beitrag gehen wir auf Basis des vom Institut der Wirtschaftsprüfer e.V. (IDW) gegebenen Hinweises vom 25. März 2020 auf Zweifelsfragen zur Berücksichtigung öffentlicher Stützungsmaßnahmen in der Rechnungslegung sowie zur Bilanzierung unter der Annahme der Fortführung der Unternehmenstätigkeit ein. Die Antworten gelten für handelsrechtliche Konzernabschlüsse und Konzernlageberichte weitestgehend analog.

Können die den Unternehmen in den letzten Tagen von Bund und Ländern öffentlich zugesagten Stützungsmaßnahmen in der Rechnungslegung zum oder nach dem 31. Dezember 2019 berücksichtigt werden?

Das Auftreten des Corona-Virus als weltweite Gefahr ist in der Regel als sogenanntes wertbegründendes Ereignis erst nach dem 31. Dezember 2019 einzustufen. Bilanzielle Konsequenzen aufgrund dieser Krise sind somit grundsätzlich erst in Abschlüssen mit Stichtag nach dem 31. Dezember 2019 zu berücksichtigen. Demzufolge sind bei der Bewertung einzelner Aktiv- und Passivposten zum 31. Dezember 2019 erforderliche Prognosen (zum Beispiel für Beteiligungsbewertungen) nicht um Corona-Effekte und demzufolge auch nicht um Stützungsmaßnahmen anzupassen.

Die durch das Stichtagsprinzip erfolgte Unterscheidung in werterhellend und wertbegründend wird allerdings bei der Beurteilung der Annahme der Fortführung der Unternehmenstätigkeit (Going Concern-Annahme) und in der Berichterstattung zu Chancen und Risiken bzw. Prognosen im Lagebericht aufgehoben. Ein Abschluss ist auch dann unter Abkehr von der Going Concern-Annahme aufzustellen, wenn die Ursache für die Abkehr erst nach dem Abschlussstichtag eingetreten ist.

Demzufolge sind bei der Beurteilung der Going Concern-Annahme und bei der (angepassten) Prognoseberichterstattung im Rahmen des Lageberichts zum Abschlussstichtag 31. Dezember 2019 oder zu späteren Abschlussstichtagen konkretisierte und belastbare Aussagen der Bundesregierung und der Landesregierungen zur Durchführung von Stützungsmaßnahmen bzw. zur Gewährung öffentlicher Unterstützungsleistungen zu berücksichtigen, auch wenn hierzu im Aufstellungszeitpunkt noch erforderliche rechtliche Schritte ausstehen, da deren Umsetzung erwartet werden kann.

Gleiches gilt hinsichtlich der bei der Bewertung einzelner Aktiv- und Passivposten erforderlichen Prognosen für Abschlussstichtage nach dem 31. Dezember 2019, wenn hierbei die Differenzierung von Wertbegründung zu Wertaufhellung beachtet wird. Bilanziell sind die Ansprüche auf Liquiditätshilfe oder Zuschüsse gegen eine konkrete Behörde demgegenüber erst dann als Forderung zu berücksichtigen, wenn eine als verbindlich zu wertende Zusage vorliegt. Nicht rückzahlbare Zuschüsse können nach verbindlicher Zusage in voller Höhe erfolgswirksam vereinnahmt werden.

Die Berücksichtigung dieser Stützungsmaßnahmen bei den Prognosen sowie bei der Beurteilung der Going Concern-Annahme ist zudem zwingend im Anhang bzw. im Lagebericht zu erläutern.

Was ist zu beachten, wenn die Aufstellung des Abschlusses unter der Going Concern-Annahme zwar zulässig ist, aber dennoch wesentliche Zweifel bestehen?

Bestehen bei grundsätzlicher Zulässigkeit der Going Concern-Annahme dennoch wesentliche Unsicherheiten im Zusammenhang mit Ereignissen oder Gegebenheiten, die bedeutsame Zweifel an dieser Fähigkeit aufwerfen können, besteht also ein bestandsgefährdendes Risiko, ist diese Tatsache sowie der geplante Umgang mit diesen Risiken im Anhang anzugeben. Darüber hinaus ist über diese bestandsgefährdenden Risiken im Lagebericht zu berichten, wobei im Anhang dann auf diese Berichterstattung verwiesen werden kann. Unternehmen, die keinen Anhang aufstellen, haben die Angabe unter der Bilanz zu machen.

Wie ist zu bilanzieren, wenn aufgrund der Corona-Krise die Going Concern-Annahme fortan nicht mehr unterstellt werden kann?

Mit dem Wegfall der Going Concern-Annahme verändert sich das Ziel der Rechnungslegung dahingehend, das zum Abschlussstichtag vorhandene Reinvermögen abzubilden unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Beendigung des Geschäftsbetriebs absehbar ist. Folglich sind nur noch bis zum Zeitpunkt der Beendigung des Geschäftsbetriebs verwertbare Vermögensgegenstände zu aktivieren und neben den bislang zu passivierenden Schulden auch solche Verpflichtungen in den Abschluss aufzunehmen, die durch die Abkehr von der Going Concern-Annahme verursacht wurden. Die Bewertung der Vermögensgegenstände erfolgt unter Veräußerungsgesichtspunkten.

Kann eine in den letzten Jahren konservative, auf die Legung stiller Reserven ausgerichtete Bilanzpolitik nun in eine eher progressive Bilanzpolitik geändert werden?

Von dem Grundsatz der Ansatz- und Bewertungsstetigkeit darf nur in begründeten Ausnahmefällen abgewichen werden. Diese begründeten Ausnahmefälle liegen vornehmlich vor, wenn sich Verhältnisse geändert haben, die der Bilanzierende nicht selbst herbeigeführt hat oder denen er sich nicht entziehen kann. Auch ein besserer Einblick in die Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage, die Verfolgung steuerlicher Ziele sowie ggf. auch die Einleitung andernfalls gefähr­deter Sanierungsmaßnahmen rechtfertigen eine Durchbrechung der Stetigkeit. Soweit die Auswirkungen der Corona-Pandemie bei Unternehmen zu einer erheblichen Entwicklungsbeeinträchtigung oder einer Krise führt, ist eine Anpassung der bisherigen Bilanzpolitik unter Umständen möglich. Durchbrechungen des Stetigkeitsgrundsatzes sind im Anhang anzugeben und zu begründen.

Welche Sanktionen drohen, wenn wegen der Corona-Krise der handelsrechtliche Jahresabschluss nicht fristgerecht aufgestellt oder offengelegt werden kann?

Infolge der Verbreitung des Corona-Virus kann es beispielsweise zum Ausfall von Buchhaltungspersonal oder zu anderen Umständen kommen, die eine fristgerechte Aufstellung und infolge auch Offenlegung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses unmöglich machen.

Auch wenn das Handelsgesetzbuch keine Sanktionen gegen Verstöße gegen die Einhaltung von Aufstellungsfristen eines Jahresabschlusses vorsieht, sind solche nach dem Strafgesetzbuch strafbewehrt, wenn die gesetzlichen Vertreter die Zahlungen eingestellt haben, über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet ist oder ein Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen wurde. Aufgrund einer unverschuldeten faktischen Unmöglichkeit, einen Jahresabschluss frist­gerecht aufzustellen, - wie es die Corona-Pandemie im Einzelfall darstellen könnte – entfällt allerdings nach herrschender Meinung dieser Straftatbestand.

Verstöße gegen Offenlegungsfristen werden grundsätzlich mit einem Ordnungsgeld sanktioniert. Allerdings ist im Fall einer unverschuldeten Behinderung der Offenlegung auf Antrag beim Bundesamt für Justiz eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die verspätete Offenlegung infolge von Auswirkungen der Corona-Krise sollte grundsätzlich eine solche unverschuldete Behinderung darstellen.

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