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Covid-19: Erbschaft- und schenkungsteuerliche Auswirkungen

Marie Christine Waldens Marie Christine Waldens

Die aktuelle Corona-Pandemie hat sowohl Auswirkungen auf bereits durchgeführte Unternehmensnachfolgen als auch auf solche, die jetzt oder in naher Zukunft geplant sind, soweit hierfür die Betriebsvermögensbegünstigungen nach §§ 13a, 13b Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) in Anspruch genommen werden.

Begünstigungen für Betriebsvermögen und Anteile an Kapitalgesellschaften sowie land- und forstwirtschaftliches Vermögen

Bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen, insbesondere begünstigungsfähiges Vermögen und Bestehen des 90%-Tests, können im Rahmen der Regelverschonung 85% des Unternehmenswertes steuerfrei übertragen werden und auf Antrag im Rahmen der Optionsverschonung sogar 100%.

Auswirkungen auf bereits erfolgte Unternehmensnachfolgen

Diese steuerlichen Begünstigungen sind jedoch an strenge Voraussetzungen geknüpft: Für die Dauer von fünf Jahren bei der Regelverschonung bzw. sieben Jahren bei der Optionsverschonung darf das betriebliche Vermögen nicht veräußert, keine übermäßigen Entnahmen getätigt und das Lohn- und Gehaltsniveau nicht unterschritten werden. Diese Haltefristen laufen derzeit noch für Unternehmensnachfolgen, die in 2013 oder später (Optionsverschonung) bzw. die in 2015 oder später (Regelverschonung) vorgenommen wurden. Daraus können sich in der aktuellen Krise folgende Risiken ergeben:

Insolvenz

Kommt es in Folge der aktuellen Corona-Pandemie zu Zwangsverkäufen oder sogar Insolvenzen, so stellt dies nach Auffassung der Finanzverwaltung – so auch in den im Dezember 2019 neu erschienenen Erbschaftsteuer-Richtlinien – einen Behaltensfristverstoß dar. Es ist danach unbeachtlich, dass es sich bei einer coronabedingten Insolvenz um eine zwangsläufige und unfreiwillige Betriebsaufgabe aufgrund nicht beeinflussbarer Umstände handelt. Der betroffene Erwerber wird somit doppelt bestraft.

Umstrukturierungen

Einen ebenfalls nachteiligen Effekt können Umstrukturierungsmaßnahmen haben, die während bzw. nach Überstehen der Pandemie erforderlich werden können, um das Unternehmen überlebens- und konkurrenzfähig zu halten. Auch Umstrukturierungen können einen Verstoß gegen die Behaltensfrist darstellen. Daher ist im Einzelfall genau zu prüfen, ob die geplante Umstrukturierung eine Veräußerung darstellt bzw. einer solchen gleichgestellt wird, um eine zusätzliche finanzielle Belastung auf Anteilseignerebene durch eine zu zahlende Nachsteuer zu vermeiden.

Einhaltung der Lohnsumme

Ein weiteres Problem, das die Corona-Pandemie leider fast zwangsläufig nach sich zieht, ist ein möglicher Lohnsummenverstoß. In der akuten Krise federt das Kurzarbeitergeld in vielen Fällen die Lohneinbußen der betroffenen Arbeitnehmer etwas ab. Auch wenn das Kurzarbeitergeld für Zwecke der Lohnsummenermittlung als Lohnaufwand des Unternehmens berücksichtigt wird, kommt es trotzdem zu einem Einbruch der Lohnsumme infolge der Corona-Krise, da das Kurzarbeitergeld der Höhe nach nicht dem Entgeltausfall entspricht. Machen sich die wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Krise in Form von Entlassungen, verstärkter Teilzeit oder Einstellungsstopps in der Folgezeit weiterhin bemerkbar, hat dies ebenfalls nachteilige Auswirkungen auf die Mindestlohnsumme, was bei Abrechnung nach Ablauf der Behaltensfrist dann in einer Nachzahlung von Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer münden kann. Hier kann durch rechtzeitige und umfassende Kontrolle der bisher erreichten und folgenden Lohnsummen vor finalem Ablauf der Behaltensfrist ggf. noch gegengesteuert werden.

Auswirkungen auf bereits geplante Unternehmensnachfolgen

Die aktuelle Corona-Krise und ihre Auswirkungen sollte man auch im Hinblick auf zukünftige Übertragungen von Unternehmen oder Anteilen im Erb- und Schenkungsfall berücksichtigen.

90%-Test

Schon ohne Krise bereitet der im Rahmen der letzten Erbschaftsteuerreform eingeführte 90%-Test in der Praxis große Probleme bei Erb- und Schenkungsfällen. Die Inanspruchnahme der Betriebsvermögensbegünstigungen in Form der Regel- oder Optionsverschonung kommt nur dann in Betracht, wenn das nicht begünstigte Vermögen weniger als 90% des Unternehmenswerts ausmacht. Der Fallstrick dieser Regelung besteht darin, dass das Verwaltungsvermögen und insbesondere die Finanzmittel vor Abzug der Schulden in Verhältnis zum Unternehmenswert gesetzt werden. Da zu den Finanzmitteln auch sämtliche Forderungen aus dem operativen Geschäftsbetrieb, zum Beispiel  Forderungen aus Lieferungen und Leistungen, zählen, liegt schon zu normalen Zeiten der zu ermittelnde Wert oftmals nur knapp unterhalb der 90%-Grenze. Kommt es infolge der Corona-Krise zu fallenden Unternehmenswerten, kann es folglich zu einem Nichtbestehen des 90%-Tests kommen. Unabhängig von der Frage, ob die Regelung des 90%-Tests verfassungsrechtlich Bestand hat, wogegen berechtigte Zweifel sprechen, ist zumindest vor geplanten Schenkungen eine genaue Ermittlung der Werte erforderlich und ggf. eine Verschiebung von Schenkungen anzuraten, um unliebsame Überraschungen zu vermeiden.

Junge Finanzmittel

Noch ein weiterer Aspekt ist zu beachten: Stellen Gesellschafter ihrem notleidenden Unternehmen jetzt in der Corona-Krise Liquidität zur Verfügung, kann dies zu erbschaft- und schenkungsteuerlichen Nachteilen führen. Liquidität in jeglicher Form sei es als Guthaben bei Banken oder Bargeld zählt genau wie die oben genannten Forderungen zu den Finanzmitteln als Teil des nicht begünstigten Verwaltungsvermögens. Junge Finanzmittel, die als positiver Saldo von Einlagen und Entnahmen, die innerhalb von 2 Jahren vor dem Stichtag getätigt wurden, definiert sind, werden komplett nicht begünstigt. Dies hat zur Folge, dass Einlagen, die jetzt in der Krise geleistet werden, in einem geplanten oder ungeplanten Nachfolgefall innerhalb der nächsten 2 Jahre mit Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer belastet sind. Zur Vermeidung einer späteren Belastung der Einlage mit Schenkungsteuer sollten Schenkungen nach Möglichkeit nach Ablauf der 2-Jahresfrist durchgeführt werden (vorausgesetzt, dass in der Zwischenzeit keine weiteren Einlagen getätigt  werden). Für Erbfälle kann ggf. die Investitionsklausel in Anspruch genommen werden, wonach die nachträgliche Investition von schädlichem Vermögen in begünstigtes Vermögen oder die Verwendung für Lohnzahlungen die Zurechnung zum Verwaltungsvermögen entfallen lässt. Dies setzt allerdings einen entsprechenden Plan des Erblassers zu dessen Lebzeiten voraus. Da die genauen Anforderungen an einen solchen „Investitionsplan“ unklar und umstritten sind, muss dies für den Einzelfall geprüft werden. 

Inwieweit mit gesetzgeberischen Erleichterungen gerechnet werden kann, ist derzeit nicht ersichtlich. Auch die Finanzverwaltung ist mit Billigkeitsmaßnahmen auf dem Gebiet der Erbschaft- und Schenkungsteuer eher zurückhaltend. Daher hilft hier nur rechtzeitige Einschätzung und Vorsorge.

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