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IFRS

IFRS 15: Herausforderungen für den Anlagenbau

Prof. Dr. Thomas Senger Prof. Dr. Thomas Senger

Der 2014 veröffentlichte International Financial Reporting Standard (IFRS) 15 „Revenue from Contracts with Customers“ zur Umsatzrealisierung tritt für Geschäftsjahre in Kraft, die am oder nach dem 1. Januar 2018 beginnen. Mit seiner Einführung werden mehrere Standards und Interpretationen durch ein einheitliches Rahmenwerk ersetzt. Die Erlöserfassung wird künftig an der Erfüllung von Leistungsverpflichtungen ausgerichtet. Der Umfang der zu realisierenden Erlöse richtet sich nach der Erfüllung der zugrunde liegenden Leistungsverpflichtung.

Zur Systematisierung der Erlöserfassung gibt der IASB ein fünfstufiges Ermittlungsschema vor.

Bestimmung des relevanten Vertrags

IFRS 15 ist nur auf wirksam vereinbarte Verträge anzuwenden, bei denen die Einbringlichkeit der Gegenleistung wahrscheinlich ist (IFRS 15.9-21).

Identifizierung der Leistungsversprechen im Vertrag – Unterscheidung der Leistungsversprechen in separate Leistungsverpflichtungen oder ein Leistungsbündel. Eine Leistungsverpflichtung muss unterscheidbar sein, das heißt, der Kunde muss das Gut bzw. die Dienstleistung alleine nutzen können und es/sie muss im Vertrag separat identifizierbar sein.

  1. Bestimmung der Gegenleistung: Die Gegenleistung ist der Umsatz, der für die Güter oder Dienstleistungen erwartet wird. Neben fixen Komponenten sind auch Finanzierungskomponenten und variable Vergütungsbestandteile zu berücksichtigen. Letztere sind zu erfassen, wenn mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, dass sie zukünftig zu Erlösminderungen führen.
  2. Allokation der Gegenleistung: Die Gegenleistung ist auf die zuvor definierten Leistungsverpflichtungen aufzuteilen.
  3. Umsatzrealisierung: Der Umsatz ist nach Maßgabe des Kontrollübergangs zu realisieren. Kontrolle meint den Ausschluss anderer von der Nutzung und den Vorteilen der Güter bzw. Dienstleistungen.

Wir stellen ausgewählte Herausforderungen, die sich mit der Einführung des IFRS 15 für Unternehmen des Anlagenbaus (Herstellung von Großanlagen nach Maßgabe des Kunden) ergeben, vor.

Eine besondere Bedeutung kommt der Identifikation der Leistungsverpflichtung zu. Nach IFRS 15 ist für jeden Vertrag eine detaillierte Analyse erforderlich, ob die gesamte Anlage eine Leistungsverpflichtung im Sinne eines Leistungsbündels darstellt oder ob es sich um mehrere einzelne Leistungsverpflichtungen handelt, das heißt, dass der Kunde sie allein oder mit ihm zur Verfügung stehenden Ressourcen nutzen kann und sie separat identifizierbar sind. Aufgrund der hohen Integrationsleistung im Anlagenbau ist regelmäßig davon auszugehen, dass die gesamte Anlage als Leistungsbündel anzusehen ist. Dennoch sind die vertraglichen Voraussetzungen einzeln zu analysieren. Mehrkomponentenverträge erfordern – auch bei einer einheitlichen Anlage – die Aufteilung in separate Leistungsverpflichtungen. IFRS 15 enthält hierzu erstmals explizite Vorschriften. IFRS 15 wirft die Frage auf, ob weiterhin – wie auf Basis der Percentage of Completion-Methode – eine zeitraumbezogene Erlösrealisierung erfolgen kann. Hierfür müssen bestimmte Bedingungen erfüllt sein, für die die vertragliche Gestaltung von besonderer Bedeutung ist. Auf den Anlagenbau bezogen ist dies in der Regel die in IFRS 15.35(c) formulierte Bedingung, dass die Leistung des Unternehmens zu einem Vermögenswert ohne alternative Nutzung führt und dass das Unternehmen ein durchsetzbares Recht auf Zahlung der Gegenleistung für die erbrachte Leistung hat. Der erste Teil der Bedingung ist in der Regel erfüllt, da eine Anlage nicht ohne Weiteres transferierbar ist. Für den zweiten Teil ist die vertragliche Gestaltung von besonderer Bedeutung. Die Zahlung muss mit der erbrachten Leistung korrespondieren und eine Marge enthalten. Diese Bedingung ist problematisch, wenn zum Beispiel ein Auftrag vorzeitig gekündigt wird und das Unternehmen nur einen Anspruch auf Kostenerstattung, nicht aber auf Vergütung inklusive Marge hat. Eine zeitraumbezogene Erlösrealisierung kommt dann nur auf Basis des Kriteriums IFRS 15.35(b) in Betracht, was in Einzelfällen schwierig hinsichtlich des Kontrollübergangs ist. Dieses Thema wird derzeit kontrovers diskutiert. Ebenfalls diskutiert wird, wie mit den – häufig anzutreffenden – Fällen umzugehen ist, bei denen eine der Voraussetzungen des IFRS 15.35 erst einige Zeit nach Fertigungsbeginn gegeben ist, da die Bestimmung der Erlösrealisierungsmethode in der Regel zu Vertragsabschluss zu beurteilen und nur bei Vertragsmodifikationen anzupassen ist.

Eine weitere Herausforderung stellt die Bilanzierung der Auftragskosten dar. Gemeint sind die Kosten zur Erfüllung von Aufträgen. IFRS 15 enthält hierzu nur wenige Regelungen. Diese sollen vorrangig nach anderen Standards behandelt werden. Eine Klassifizierung als Vorräte (IAS 2) kann in der Regel nicht erfolgen, da die Anlage bereits im Zeitraum der Herstellung einen Vermögensgegenstand darstellen müsste. Bei einem zeitraumbezogenen Kontrollübergang kann dies jedoch nicht gelten, denn hierbei wird angenommen, dass der Kunde kontinuierlich mit der Leistungserstellung die Kontrolle erlangt. Der Ausweis erfolgt regelmäßig als Saldo aus Auftragskosten plus Marge abzüglich etwaiger erhaltener Anzahlungen. Hieraus ergibt sich ein Fertigungsauftrag entweder mit aktivischem oder passivischem Saldo gegenüber Kunden. Diese Art der Bilanzierung ergibt sich auch aus IAS 15.105, der vorsieht, dass das Unternehmen einen Vermögenswert ausweist, sobald es Leistungen erbracht, aber noch keinen Vergütungsanspruch hat. In Abhängigkeit der erhaltenen Anzahlungen entstehen so „contract assets“ oder „contract liabilities“.

Vertragsänderungen im Sinne von IFRS 15.18 sind Veränderungen des Leistungsumfangs und/oder der Gegenleistung. In der Praxis des Anlagenbaus sind dies zumeist Nachträge. Um diese bilanziell berücksichtigen zu können, muss es hinreichend wahrscheinlich sein, dass Erlöse nicht mehr storniert werden müssen. Insofern ist – wie bei IAS 11 – management judgement erforderlich. Zudem ist zu prüfen, ob die Ergänzung eine weitere Leistungsverpflichtung darstellt oder dem zuvor definierten Leistungsbündel zuzuordnen ist. Letzteres ist im Anlagenbau die Regel. Dementsprechend sind dann der Fertigstellungsgrad und der kumulierte Umsatz neu zu ermitteln.

Verträge über die Erstellung und Lieferung von Anlagen sehen oftmals Vertragsstrafen vor, etwa bei nicht fristgerechter Fertigstellung. Nach IFRS 15 sind diese als variabler Vergütungsbestandteil anzusehen und bei der Bestimmung der Gegenleistung zu schätzen. Für die Schätzung sieht IFRS 15 die Methode des Erwartungswerts oder die Methode des wahrscheinlichsten Werts vor. Im Zweifel ist nach IFRS 15.56 ein variabler Transaktionspreis nur dann schon als Umsatz zu erfassen, wenn eine spätere Minderung der Umsatzerlöse höchst unwahrscheinlich ist. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass Erlösminderungen von Anfang an bei der Bemessung der erwarteten Umsatzerlöse zu berücksichtigen und bei mehreren Leistungsverpflichtungen verursachungsgerecht zuzuordnen sind. Dies ist dann problematisch, wenn Rabatte auf den Gesamtpreis verrechnet werden, die einzelnen Leistungsverpflichtungen aber unterschiedlich rabattiert werden. Dies sind nur einige Herausforderungen, die IFRS 15 für den Anlagenbau mit sich bringt. Grundsätzlich werden auch in Zukunft Anlagen als Leistungsbündel und damit eine Leistungsverpflichtung zu verstehen sein. Mehrkomponentenverträge erfordern jedoch die Aufteilung in unterschiedliche Leistungsverpflichtungen und erhöhen die Komplexität deutlich. IFRS 15 gibt hierzu nun erstmals Regelungen vor. Eine zeitraumbezogene Erlösrealisierung ist in der Regel weiterhin möglich. Anders als zuvor ist jedoch mit der Einführung des IFRS 15 die vertragliche Gestaltung von besonderer Bedeutung. Bei abweichender vertraglicher Regelung können wirtschaftlich vergleichbare Vorgänge zu unterschiedlicher Bilanzierung führen.