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Beratungspraxis Unternehmenssteuern

Unser Thema im Oktober: "Die personelle Verflechtung im Rahmen einer Betriebsaufspaltung - neue Entwicklung und Rechtsprechung"

Die steuerliche Betriebsaufspaltung ist seit Jahren ein Dauerthema, das immer wieder zu vielen Diskussionen im Rahmen von Betriebsprüfungen führt. Hauptproblempunkte in der Praxis sind nicht erkannte Betriebsaufspaltungsfälle und insbesondere nicht erkannte Beendigung einer Betriebsaufspaltung.

Die Folge einer Betriebsaufspaltung ist im Wesentlichen, dass eine Tätigkeit, die ihrer Art nach nicht gewerblich ist (wie das Vermieten oder Verpachten von Wirtschaftsgütern an ein anderes Unternehmen) zu einem steuerlichen Gewerbebetrieb umqualifiziert wird. Dabei ist zu beachten, dass die Betriebsaufspaltung nicht gesetzlich geregelt ist. Es handelt sich um ein von der Rechtsprechung entwickeltes und in jahrzehntelanger Rechtsprechung anerkanntes Instrument des Richterrechts. Die Auffassungen und Erläuterungen der Finanzverwaltung in diesem Zusammenhang sind in den Einkommensteuerrichtlinien festgehalten.

Die Voraussetzungen für eine Betriebsaufspaltung sind die sachliche sowie die personelle Verflechtung des Besitzunternehmens mit dem Betriebsunternehmen. Eine sachliche Verflechtung liegt vor, wenn das sogenannte Besitzunternehmen mindestens eine wesentliche Betriebsgrundlage dem Betriebsunternehmen zur Nutzung überlässt. Eine personelle Verflechtung ist dann gegeben, wenn eine Person oder mehrere Personen gemeinsam sowohl das Besitz- als auch das Betriebsunternehmen beherrschen. Dies wiederum bedeutet, dass sie in der Lage sind, in beiden Unternehmen einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen durchzusetzen.

Ob die Voraussetzungen der personellen Verflechtung erfüllt sind, ist anhand der tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalls festzustellen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass es in diesem Zusammenhang immer wieder zu zahlreichen Diskussionen zwischen der Finanzverwaltung und den Steuerpflichtigen kommt.

Sind an beiden Unternehmen ausschließlich dieselben Personen im gleichen Verhältnis beteiligt, spricht man von der sogenannten Beteiligungsidentität. In diesem Fall kann von einem einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen ausgegangen werden und die Voraussetzung der personellen Verflechtung ist gegeben.

In der Praxis ist aber häufig zwischen Betriebs- und Besitzunternehmen keine Beteiligungsidentität gegeben. Die personelle Verflechtung kann aber auch bei fehlender Beteiligungsidentität gegeben sein, wenn die sogenannte Beherrschungsidentität vorliegt. Dies ist der Fall, wenn der Mehrheitsgesellschafter oder die Mehrheits-Personengruppe sowohl im Betriebs- als auch im Besitzunternehmen seinen beziehungsweise ihren geschäftlichen Willen durchsetzen kann. Unter Mehrheit versteht man grundsätzlich eine Beteiligung von mehr als 50%.

Hinsichtlich der personellen Verflechtung und insbesondere hinsichtlich der Frage, wann eine Beherrschung im Sinne der Betriebsaufspaltung vorliegt, treten immer wieder Streitfälle zutage. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat sich zum Thema der personellen Verflechtung zwischen Besitz- und Betriebsunternehmen in jüngerer Vergangenheit mehrfach geäußert. Nachfolgend werden zwei Urteile des BFH und die Konsequenzen für die steuerliche Praxis dargestellt.

„Stimmen-Patt“ begründet keine Betriebsaufspaltung

In dem Urteil vom 14. April 2021 musste der BFH unter anderem zu der Frage Stellung nehmen, wann eine Beherrschung der Betriebskapitalgesellschaft vorliegt.

Im Streitfall verfügte der das Besitzunternehmen beherrschende Gesellschafter in der Betriebskapitalgesellschaft über exakt 50% der Stimmen. Zudem war der Gesellschafter zum einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführer der Betriebskapitalgesellschaft bestellt.

Laut BFH-Urteil ist es für eine personelle Verflechtung – abgesehen vom Sonderfall der faktischen Beherrschung – aber erforderlich, dass der Gesellschafter nach den gesellschaftsrechtlichen Stimmverhältnissen in der Lage ist, seinen Willen in beiden Unternehmen durchzusetzen. Damit ein Gesellschafter eine GmbH beherrscht, ist es gesellschaftsrechtlich ausreichend – aber eben auch notwendig – dass er über die Stimmrechtsmehrheit verfügt, die der Gesellschaftsvertrag für Gesellschafterbeschlüsse vorschreibt. Dies gilt selbst dann, wenn der Gesellschafter – wie in dem Streitfall – ansonsten die laufende Geschäftsführung innehat (sogenannte Geschäfte des täglichen Lebens). Nach Auffassung des BFH reichen deshalb exakt 50% der Stimmen noch nicht für eine Beherrschung aus.

Weiterhin musste der BFH in dem vorliegenden Fall darüber entscheiden, ob hinsichtlich der Frage der gleichgerichteten wirtschaftlichen Interessen, die Stimmen eines minderjährigen Kindes den Eltern zugerechnet werden. Im Streitfall waren sowohl ein Elternteil als auch dessen minderjähriges Kind an der Betriebskapitalgesellschaft beteiligt. Der BFH stellte klar, dass die Stimmen des Kindes jedenfalls dann nicht dem Elternteil zuzurechnen sind, wenn in Bezug auf die Gesellschafterstellung des Kindes eine Ergänzungspflegschaft angeordnet ist.

Beherrschungsidentität bei treuhändischer Bindung

In einem weiteren BFH-Urteil vom 20. Mai 2021 ging es um die Streitfrage, inwieweit das treuhänderische Halten einer Beteiligung Auswirkungen auf die personelle Verflechtung haben kann.

Der vereinfacht dargestellte Sachverhalt war, dass sämtliche Kommanditanteile an der Besitzgesellschaft von einer Holding gehalten wurden, wobei diese aber weniger als 50% der Anteile auf eigene Rechnung gehalten hat. Die anderen Anteile (mehr als 50%) hielt die Holding lediglich treuhänderisch. Es ist bereits durch ständige Rechtsprechung des BFH geklärt, dass eine personelle Verflechtung sowohl bei Beteiligungs- als auch bei Beherrschungsidentität vorliegen kann.

Das Finanzamt ging davon aus, dass die Holding imstande sei, sowohl bei der Kommanditgesellschaft als auch bei der Betriebsgesellschaft ihren einheitlichen geschäftlichen Willen durchzusetzen. Somit war die Voraussetzung einer personellen Verflechtung in den Augen der Finanzverwaltung erfüllt (dass eine sachliche Verflechtung aufgrund der Überlassung eines Grundstücks gegeben war, war in dem vorliegenden Sachverhalt zwischen den Parteien unstrittig).

Der BFH hat in seinem Urteil ausdrücklich darauf hingewiesen, dass nicht in jedem Fall allein schon aufgrund einer Mehrheitsbeteiligung an Besitz- und Betriebsunternehmen auf eine personelle Verflechtung geschlossen werden kann. Besondere Umstände des Einzelfalls – wie unter anderem bei einem treuhänderischen Halten einer Beteiligung - können auch bei einer Mehrheitsbeteiligung von Gesellschaftern die Prüfung erforderlich machen, ob die Durchsetzung eines einheitlichen Geschäfts- und Betätigungswillens in beiden Unternehmen möglich ist. So gebietet es die dem Treuhänder gegenüber dem Treugeber obliegende Treuepflicht, dass er in der Gesellschafterversammlung seine eigenen Interessen den Interessen des Treugebers unterordnet. Insbesondere bei wesentlichen Fragen war gemäß dem Gesellschaftsvertrag der Kommanditgesellschaft eine qualifizierte Mehrheit erforderlich, über die die Holding allein nicht verfügte. Somit war die Holding nicht in der Lage, ihren Willen in der Besitzgesellschaft durchzusetzen und somit war die Voraussetzung der personellen Verflechtung im Streitfall nach Auffassung des BFH nicht erfüllt.

Zudem hat das oberste deutsche Finanzgericht in dem Urteil seine bisherige Rechtsprechung, wonach die Beherrschung des Betriebsunternehmens auch mittelbar über eine Kapitalgesellschaft ausgeübt werden kann, nochmals bekräftigt. Dies war aber nicht ausschlaggebend für den vorliegenden Fall.

Konsequenzen für die Praxis

Die beiden jüngsten Urteile des BFH geben Anlass, im Rahmen von tatsächlichen, aber auch potenziellen Betriebsaufspaltungsfällen die bestehenden Strukturen sorgfältig zu prüfen.

Denn sowohl das Begründen einer ungewollten Betriebsaufspaltung aber auch die ungewollte Beendigung einer bestehenden Betriebsaufspaltung kann weitreichende steuerliche Folgen haben. Beispielhaft sei hier nur erwähnt, dass aufgrund einer Betriebsaufspaltung ein Grundstücksunternehmen als Besitzunternehmen dann (originär) gewerbliche Einkünfte erzielt und somit die erweiterte gewerbesteuerliche Kürzung nach § 9 Nummer 1 Satz 2 GewStG entfällt. Und es sei darauf hingewiesen, dass es durch die Beendigung der Betriebsaufspaltung sowohl zur Aufdeckung der stillen Reserven in den Wirtschaftsgütern des Besitzunternehmens als auch in den Anteilen an der Betriebsgesellschaft kommt, was erhebliche Steuerlasten auslösen kann.

Die Experten von Warth & Klein Grant Thornton beraten Sie gerne zu Fragen und Gestaltungsmöglichkeiten im Zusammenhang mit Betriebsaufspaltungen.

Kurzhinweise

  • Reichweite des Verlustverrechnungsverbots nach § 2 Absatz 4 Satz 3 UmwStG bei Verschmelzung einer Gewinn- auf eine Verlustgesellschaft (Finanzgericht (FG) Hamburg vom 5.8.2021, 1 K 244/19, Revision BFH I R 36/21): Begehrt ein verschmolzener Rechtsträger einen körperschaftsteuerlichen Verlustrücktrag von ausschließlich im Folgejahr der Verschmelzung entstandenen Verlusten – im Urteilsfall: 2014 – zurück in das Jahr der Verschmelzung – im Urteilsfall: 2013 – greift § 2 Absatz 4 Satz 3 UmwStG nicht ein. Der nach Beendigung des Rückwirkungszeitraums entstandene Verlust wandelt sich durch den Verlustrücktrag nicht in einen Verlust des Rückwirkungszeitraums. Vielmehr ist ein Verlustrücktrag mit im Folgejahr entstandenen Verlusten nach den allgemeinen Regeln gemäß § 8 Absatz 1 KStG in Verbindung mit § 10d Absatz 1 Satz 1 EStG zulässig. Dies gilt selbst dann, wenn der rückgetragene Verlust ausschließlich mit positiven Einkünften verrechnet wird, deren Besteuerung § 2 Absatz 4 Satz 3 UmwStG ausdrücklich anordnet.
  • Rückbeziehungsfiktion bei Streubesitzdividenden: Finanzverwaltung zur Berechnung des Vorliegens einer 10%igen Beteiligung (OFD Frankfurt vom 16.8.2021, S 2750a A-027-St 52): Mit der Verfügung vom 16. August 2021 bleibt die OFD bei ihrem restriktiven Normverständnis des § 8b Absatz 4 Satz 6 KStG. Es wird lediglich auf das Urteil des FG Hessen vom 15. März 2021 (6 K 1163/17, Revision BFH I R 16/21) hingewiesen, wonach – entgegen der Verwaltungsauffassung – die Rechtsfolgen des § 8b Absatz 4 Satz 6 KStG bereist dann eintreten, wenn zu irgendeinem Zeitpunkt im Laufe des Kalenderjahres eine Beteiligungshöhe von mindestens 10% erreicht wurde. Gemäß der OFD ruhen die Rechtsbehelfsverfahren, in denen sich Steuerpflichtige auf dieses Urteil beziehen, nach § 363 Absatz 2 Satz 2 AO.
  • Zur Verfassungsmäßigkeit des Abzinsungssatzes von 5,5% für unverzinsliche Darlehensverbindlichkeiten für das Streitjahr 2016 (FG Münster vom 22.7.2021, 10 K 1707/20 E,G): Das FG Münster hat entschieden, dass gegen den Abzinsungszinssatz von 5,5% für unverzinsliche Darlehensverbindlichkeiten für das Streitjahr 2016 keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen. Der Senat hat die Revision zum BFH zugelassen.
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