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Jahresabschluss

Bilanzpolitische Überlegungen zum Jahreswechsel 2021/2022

Bilanzpolitik erfordert nicht nur eine möglichst frühzeitige valide Abschätzung des voraussichtlichen Jahresergebnisses, sondern auch die Beachtung der Verknüpfung zwischen Handels- und Steuerbilanz und den verschiedenen Interessen hinsichtlich der Handelsbilanzpolitik einerseits und der Steuerbilanzpolitik andererseits. Unterschiedlichen Interessen zwischen Handels- und Steuerbilanzpolitik kann dann begegnet werden, wenn die Wirkung der eingesetzten Instrumente auf eines der Rechenwerke begrenzt ist. Dazu bieten sich insbesondere steuerliche Wahlrechte und Ermessensspielräume an, die autonom in der Steuerbilanz beziehungsweise steuerlichen Gewinnermittlung eingesetzt werden können. Wichtig ist insoweit eine individuelle und vor allem rechtzeitige Analyse des jeweiligen Einzelfalls. Wir unterstützen Sie gerne!

 … es wird für 2021 ein negatives steuerliches Ergebnis erwartet

Bei einer im Einzelfall in 2021 noch negativen geschäftlichen Entwicklung sollte auf Basis einer aktuellen betriebswirtschaftlichen Auswertung geprüft werden, ob eine Anpassung der Steuervorauszahlungen für 2021 erfolgen kann. Dies ist ein einfach umzusetzendes und wirksames Mittel, um die Liquidität zu schonen.

Wird für 2021 ein negatives Ergebnis erwartet, so bietet eine Herabsetzung der Vorauszahlungen auf 0 Euro auch die Möglichkeit eines pauschalierten Verlustrücktrags in das Jahr 2020. Das heißt für 2020 kann dann ein Verlustrücktrag aus 2021 in pauschalierter Weise in Höhe von 30% Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte des Jahres 2020 (ohne Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit) bereits jetzt berücksichtigt werden, ohne dass bereits das Ergebnis für 2021 oder gar die Steuererklärung für 2021 vorliegt. Sobald dann später die Veranlagung für 2021 erfolgt, wird dieser pauschalierte Verlustrücktrag durch den tatsächlich angefallenen Verlust ersetzt.

Im Übrigen gelten für das Jahr 2021 die erhöhten Möglichkeiten der Verlustberücksichtigung. Ein Verlust des Jahres 2021 kann in 2020 berücksichtigt werden (sogenannter Verlustrücktrag) bis maximal 10 Millionen Euro beziehungsweise bei Zusammenveranlagung 20 Millionen Euro. Dies setzt allerdings voraus, dass in 2020 entsprechende positive Einkünfte erzielt wurden. Diese – aktuell für die Jahre 2020 und 2021 und nach dem Koalitionsvertrag voraussichtlich bis einschließlich 2023 – erhöhten Rücktragsmöglichkeiten gelten unabhängig davon, aus welchem Grund der Verlust entstanden ist. Die Corona-Pandemie muss also nicht die Ursache.

Stets ist allerdings zu prüfen, ob die Verluste steuerlich über den Verlustrücktrag tatsächlich nutzbar sind, was entsprechend positive Ergebnisse im Vorjahr voraussetzt. Im Übrigen sind bilanzpolitische Maßnahmen zur Vermeidung beziehungsweise Minderung des Verlustes zu prüfen, wie beispielsweise:

  • So kann geprüft werden, ob die Realisierung von Erträgen vorgezogen oder der Anfall von Aufwendungen verschoben werden soll.
  • Auch können Bilanzierungs- und Bewertungsspielräume genutzt werden, so beispielsweise bei Ansatz und Bewertung von Rückstellungen. Dies kann auch dazu beitragen, steuerbilanzielle Risikopositionen abzubauen.
  • Die Verluste können durch bewusst gewinnrealisierend gestaltete Umstrukturierungen genutzt werden, was regelmäßig mit höheren Abschreibungen in den Folgejahren einhergeht.
  • Auch die bewusste Herbeiführung der Unverzinslichkeit eines langfristigen Gesellschafterdarlehens kann geprüft werden. Dies hat bei der GmbH einen Abzinsungsertrag zur Folge, welcher gegen den Verlust gerechnet werden kann, wohingegen die spätere aufwandswirksame Aufzinsung der Verbindlichkeit sich möglicherweise in Gewinnjahren vollzieht.

… es wird für 2021 ein positives steuerliches Ergebnis erwartet

Wird für 2021 ein positives Ergebnis erwartet, so ist stets zu prüfen, ob durch sachverhaltsgestaltende Maßnahmen der Bilanzpolitik die Besteuerung aufgeschoben und damit die Liquidität geschont werden kann. Ob sich Änderungen hinsichtlich der steuertariflichen Rahmenbedingungen ergeben werden, die mittels Verlagerung von Aufwand oder Ertrag zu endgültigen Steuersatzeffekten führen können, ist schwer abzusehen. Der aktuell vorliegende Koalitionsvertrag sieht insoweit keine Änderungen der Tarife zur Einkommen- und Körperschaftsteuer vor. Im Einzelfall dürften Erhöhungen der Gewerbesteuer-Hebesätze erfolgen, welche vielfach aufgrund der erreichten Hebesatzhöhe nicht durch die Steuerermäßigung nach § 35 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ausgeglichen werden.

Soweit der Jahreswechsel wie im Regelfall mit dem Bilanzstichtag übereinstimmt, sind vorbereitend noch sachverhaltsgestaltende Maßnahmen zu prüfen. Hinzuweisen ist auf folgende Aspekte:

  • Werden noch in 2021 Investitionen getätigt, so kann zumindest für die verbleibende Zeit in 2021 die Abschreibung der Anschaffungskosten geltend gemacht werden, also bei einer Anschaffung noch im Dezember 2021 mit 1/12 der Jahresabschreibung. Insoweit ist zu beachten, dass mit einer Anschaffung noch in 2021 die Möglichkeit der steuerlich degressiven Abschreibung für die gesamte Nutzungsdauer gesichert werden kann. Im Übrigen läuft die Möglichkeit der steuerlichen Abschreibung nach der degressiven Abschreibung für Anschaffungen nach dem 31. Dezember 2021 nach derzeitigem Gesetzesstand aus. Hinsichtlich der Nutzung der degressiven Abschreibung besteht grundsätzlich keine Bindung zwischen Handels- und Steuerbilanz.
  • Werden noch in 2021 geringwertige Wirtschaftsgüter – also selbstständig nutzbare Wirtschaftsgüter mit Anschaffungskosten bis 800 Euro (netto) – angeschafft, so können die Ausgaben in voller Höhe in 2021 steuermindernd geltend gemacht werden.
  • Bei der Anschaffung von bestimmter IT-Hardware und Anwendersoftware kann auf Basis des BMF-Schreibens vom 26. Februar 2021 unabhängig von der Einhaltung der „GWG-Grenze“ die Anschaffungskosten steuerlich sofort abgeschrieben werden. Dies gilt betragsmäßig unbeschränkt, also auch bei umfangreichen Investitionen, wie beispielsweise Investitionen in ein ERP-System. Soweit bei solchen Wirtschaftsgütern noch Restbuchwerte aus der Bilanz zum 31. Dezember 2020 vorhanden sind, können (Wahlrecht) diese im Jahresabschluss zum 31. Dezember 2021 ebenfalls in vollem Umfang abgeschrieben, also in den Aufwand gebucht werden. Handelsrechtlich sind diese Investitionen allerdings regelmäßig über die erwartete Nutzungsdauer (vielfach drei bis fünf Jahre) abzuschreiben.
  • Für die Zusage später auszahlbarer Gratifikationen, Tantiemen, Corona-Bonuszahlungen etc. für das Jahr 2021 darf in der Bilanz zum 31. Dezember 2021 nur dann gewinnmindernd eine Rückstellung gebildet werden, wenn die Zusage noch im Jahr 2021 erfolgt.
  • Werden Instandhaltungs- oder Modernisierungsaufwendungen noch im Jahr 2021 durchgeführt, entstehen sofort abziehbare Betriebsausgaben. Soweit es sich um notwendige Instandsetzungsarbeiten handelt, die erst in den ersten drei Monaten des folgenden Geschäftsjahrs nachgeholt werden, besteht die Verpflichtung zur Bildung einer Rückstellung sowohl in der Handelsbilanz als auch in der steuerlichen Gewinnermittlung.
  • Beim Vorratsvermögen ist zwingend eine Abwertung vorzunehmen, wenn der Marktpreis zum Bilanzstichtag unter den Anschaffungskosten liegt. Insoweit ist eine Dokumentation der Preise zum Bilanzstichtag vorzunehmen und für wichtige Bestände an Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen sollten ggf. aktuelle Marktpreise bei den Lieferanten abgefragt werden.
  • Bei Forderungen aus Lieferungen und Leistungen ist zum Bilanzstichtag deren Werthaltigkeit vor dem Hintergrund der aktuellen wirtschaftlichen Entwicklung zu überprüfen. Zu prüfen sind Einzelwertberichtigungen, aber auch eine Anhebung der Pauschalwertberichtigungen. Hierzu muss eine konkrete Prüfung der Einzelbestände erfolgen und hinsichtlich der Pauschalwertberichtigung kann auch auf die wirtschaftliche Entwicklung von Branchen zurückgegriffen werden. Für die Bewertung sind grundsätzlich die Verhältnisse zum Bilanzstichtag maßgebend, sodass diese zu dokumentieren sind.
  • Unverzinsliche Verbindlichkeiten mit einer Laufzeit von mehr als zwölf Monaten sind in der steuerlichen Gewinnermittlung zwingend abzuzinsen. Insbesondere aus der erstmaligen Abzinsung mit dem gesetzlich vorgeschriebenen Zinssatz von 5,5 % kann sich insoweit ein hoher steuerlicher Ertrag ergeben. Dem kann vorgebeugt werden, wenn bis zum Bilanzstichtag eine Verzinsungsvereinbarung getroffen wird. Dabei ist ein sehr geringer Zinssatz ausreichend, um die Abzinsung zu vermeiden.

Dies ist nur eine beispielhafte Aufzählung sachverhaltsgestaltender Maßnahmen der Bilanzpolitik. Insoweit muss jeder einzelne Fall einer sorgfältigen Analyse unterzogen werden.

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